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Andrea Gehlen
Falsche Verwandte
in Funkenbach
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Rätselkrimis mit Panzer & Rosenkranz
Einband: Festeinband
Erscheinungsdatum: 6. Dezember 2012
Preis: 15,90 EURO
ISBN: 978-3-9815604-5-9




Eisbombe der besonderen Art

Für einen Donnerstag im Oktober war es erstaunlich warm. „Was meinst du, wollen wir ein Eis essen gehen?“, fragte Rosenkranz. „Jupp!“ Das war alles, was Panzer dazu sagte. Schon jagte er die Straße Richtung Marktplatz hinauf. Rosenkranz fand es immer aufs Neue erstaunlich, wie schnell Panzer aus seiner Trägheit erwachte, wenn es ums Essen ging.

Die Eisdiele Eden war gut besucht. Giovanni hatte sogar ein paar Stühle in den Garten gestellt, damit mehr Leute draußen sitzen konnten. Er hetzte von einem Tisch zum anderen und rief seiner Frau Bestellungen zu. Seine Stimme überschlug sich dabei ab und an. Maria formte in Windeseile Eiskugeln und lächelte. Ihr schien die Hektik nichts auszumachen. Im Gegenteil, je lebhafter der Betrieb wurde, desto glücklicher sah sie aus. „Immer schön eins nach dem anderen, Giovanni.“
Giovanni zuckte mit den Schultern und sagte mit gespielter Verzweiflung zu den Gästen: „Immer diese Frauen. Machen, was sie wollen.“ Dann warf er Maria eine Kusshand zu.
Der Laden war proppenvoll. Ein fünfjähriger Junge bestellte sich den Eisbecher Eden-Spezial. Das sind vierundzwanzig Kugeln Eis mit einem Pfund Früchten und mit Sahnehaube; eigentlich war der für Familien gedacht. Der Vater des Jungen saß zerstreut hinter seinem Laptop, tippte auf den Tasten herum und murmelte geistesabwesend: „Ja, ja. Ist schon richtig.“ Giovanni brachte dem Jungen den Eispokal und stellte ihn auf den Tisch. „Bitte sehr“.
Der Junge machte sich über die Riesenportion her.

Panzer guckte neidisch hinüber.
„Menschenshund, Panzer schau nicht so sparsam aus der Wäsche. Freu dich lieber, dass wir jeden Tag ein Eis bekommen, seit wir im letzten Sommer Marias Granatschmuck wiedergefunden haben. So viel Süßes tut dir sowieso nicht gut.“
„Hat Herr Rosenkranz etwas an meiner Figur auszusetzen?“, knurrte Panzer.
„Nein, ich sag nur …“
„Jaaahaaaa?“
„Pst, sei bitte mal leise.“ Rosenkranz stellte die Ohren auf. In der Eisbar lief das Radio und es kamen gerade die Nachrichten. Panzer legte den Kopf schief, wie immer, wenn er besonders gut aufpasste.
„BRZZLLL RAUSCH FIEP“, machte das Radio, dann kam die Stimme der Nachrichtensprecherin: „Der Immobilienmakler Hans Hai kündigte in den frühen Morgenstunden an, die Räumung der fraglichen Grundstücke in Funkenbach per Gerichtsbescheid durchzusetzen. BRZLLLL. KNATTER. Baubeginn für den neuen Freizeitpark soll bereits das nächste Frühjahr sein. Derzeit befinden sich noch das Wohnhaus der Familie Freitag und eine Eisdiele auf dem fraglichen Gebiet nahe der Festwiese. BRZLLL. UIUIUIUI. Die betroffenen Personen weigern …“
„Miseria!“ Giovanni knallte ein silbernes Tablett auf den Tresen und drückte auf den Ausschalter des Radios.
Maria presste die Handflächen gegeneinander und sagte zu den Gästen: „Entschuldigen Sie, aber es nimmt meinen Mann sehr mit, dass unsere Eisdiele dem Erdboden gleichgemacht werden soll. Wir sind doch schon unser halbes Leben lang hier.“ Sie schüttelte den Kopf.
In diesem Augenblick betrat ein Mann mit Bart und einem Werkzeugkoffer die Eisdiele. Er sagte: „Ich komme wegen der Sanitäranlagen“.
„Ja, ja, ist gut. Da lang“, antwortete Giovanni und wies ihm den Weg zu den Toiletten. „Hast du einen Installateur bestellt, Maria?“
„Nein. Du auch nicht? Komisch! Aber jetzt lass uns erst einmal fertig bedienen. Schau mal, am Eisverkauf zur Straße haben sich schon zwei Schlangen gebildet. Eine wartet auf Eis, die andere will bezahlen. Pronto, pronto! Schnell, schnell!“

Eine ganze Weile später kam der Installateur aus der der Tür zur Herrentoilette und verabschiedete sich, indem er mit einer Hand winkte und mit der anderen seinen Bart festhielt. Er sagte noch, dass niemand, wirklich niemand das Örtchen in der nächsten Stunde betreten dürfe. Das Silikon müsse trocknen und dürfe keinerlei Zugluft bekommen. Giovanni und Maria zogen die Augenbrauen fragend nach oben.

„Seltsame Erscheinung dieser Installateur, findest du nicht, Rosenkranz?“
„Mmh, ich weiß noch nicht, aber mein sechster Sinn sagt mir, dass mit dem etwas faul ist.“
„Genau wie mit diesem Fossilienmakler aus dem Radio. Der kann doch nicht einfach das Haus von Emmi und Paul und unsere Eisdiele hier abreißen. Der hat wohl Flöhe!“
„Panzer, ich sag’s nur ungern, aber das heißt Immobilienmakler. Immobilien nennt man Häuser oder Grundstücke. Ein Makler kauft und verkauft beides. Ein Fossil ist ein versteinertes Lebewesen aus früheren Zeitaltern. Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass Hans Hai damit durchkommt.“

PENG!!! So ähnlich war das Geräusch, das in das gemütliche Stimmengemurmel hineinplatzte. Die Tür der Herrentoilette flog heraus, Holz splitterte und im Inneren des kleinen Raumes konnte man nichts als Rauch und Staub erkennen.
Zum Glück war niemand verletzt worden. Giovanni stand hinter dem Tresen. Sein Gesicht hatte die Farbe von Vanilleeis. Er wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus.
Sogar der Mann mit dem Laptop hatte aufgehört, zu tippen. Er zückte sein Handy und wählte die Nummer der Polizei.